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Nach Putschversuch in Türkei Höchste Sicherheitsstufe auf Militärbasis Incirlik

Auf dem Militärflugplatz Incirlik in der Türkei sind auch 240 deutsche Soldaten stationiert. Zeitweise hieß es, der Stützpunkt sei von der Türkei wegen des Putsches abgeriegelt. Doch die Bundeswehr verneint das - sie selbst hat den Zugang beschränkt.
US-Kampfjets in Incirlik (Archivbild)

US-Kampfjets in Incirlik (Archivbild)

Foto: REUTERS/ USAF
Der schnelle Überblick

Das ist passiert:• Teile des türkischen Militärs haben versucht, gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zu putschen. Am Freitagabend erklärte das Militär, die Macht im Land übernommen zu haben. Inzwischen meldet die Regierung, der Putschversuch sei beendet.

• Laut Ministerpräsident Binali Yildirim kamen 265 Menschen ums Leben, darunter 104 Putschisten. 1440 Menschen wurden verletzt, mehr als 3000 Militärangehörige sollen festgenommen worden sein. Die Situation in Istanbul und Ankara ist noch immer unübersichtlich.

• Die türkische Regierung sieht in den Anhängern des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen die Schuldigen. Gülen bestreitet, verantwortlich zu sein. Er gilt als Erzfeind Erdogans.

Der Putschversuch türkischer Militärs gegen die Regierung hat nach Angaben der Bundeswehr keine Folgen für die 240 deutschen Soldaten auf der Luftwaffenbasis Incirlik gehabt.

Ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr bei Berlin widersprach am Samstag US-Angaben, wonach die türkischen Behörden den Zugang zu der Basis abgeriegelt hätten. Die Soldaten könnten mit Ausweiskontrolle weiterhin die Basis verlassen und hineingehen.

Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE riefen die deutschen und amerikanischen Streitkräfte in der Nacht zum Samstag die höchste Sicherheitsstufe aus, weil gegen Mitternacht vor dem Haupttor geschossen worden sei. Damit ist die Basis jedoch lediglich für Externe, zum Beispiel für Zulieferer gesperrt.

Bisher ist unklar, wer geschossen hat und ob die Schüsse mit dem Putschversuch zusammenhängen. Die Bundeswehr geht nach Informationen von SPIEGEL ONLINE aber nicht davon aus, dass die türkischen Soldaten in Incirlik die Putschisten unterstützten.

Zuvor hatte das US-Konsulat in der südtürkischen Stadt Adana in einer Nachricht an amerikanische Staatsbürger mitgeteilt, die lokalen Behörden erlaubten keinen Zugang zur Basis. Auch die Stromversorgung sei unterbrochen worden, hieß es. Letzteres ist wohl auch weiterhin der Fall. Die USA fliegen aber Diesel für die Generatoren ein.

Die Amerikaner haben in Incirlik mehr als 1000 Soldaten und Zivilangestellte stationiert. Von dort starten US-geführte Luftangriffe gegen die Terrormiliz IS.

Auch die Bundeswehr hat dort derzeit 240 Soldaten stationiert. Sie beteiligen sich mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen und einem Tankflugzeug am Kampf gegen die Islamisten.

Auf der Basis lagern nach Expertenschätzungen rund 50 Atomsprengköpfe des Typs B61. Die genaue Zahl hält das US-Militär geheim.

Nach dem Putschversuch am Freitagabend hatte die Bundeswehr erklärt, die Sicherheitsmaßnahmen auf der Basis seien verschärft worden. "Es handelt sich um eine routinemäßige, vorsorgliche Erhöhung der Bereitschaftsstufe zum Schutz der Soldaten", so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Der Flugplan sehe für diesen Samstag keinen Einsatz deutscher Soldaten in Incirlik vor, sagte der Sprecher. Nach Angaben der Bundeswehr gibt es im Schnitt etwa zwei Tornado-Flüge am Tag. Zudem sei das Tankflugzeug der Bundeswehr einmal pro Tag in der Luft.

Streit um Besuchspläne bei deutschen Soldaten

Im Zusammenhang mit der Stationierung der deutschen Soldaten in Incirlik hatte es zuletzt Streit zwischen Deutschland und der Türkei gegeben. Die Türkei hatte ein Besuchsverbot für Bundestagsabgeordnete bei den Soldaten vor Ort verhängt. Das war eine Reaktion auf die Armenien-Resolution des Bundestags. Darin war Anfang Juni das Massaker des Jahres 1915 an den Armeniern im Osmanischen Reich erstmals als Völkermord bezeichnet worden.

Die Verteidigungsexperten aller Bundestagsfraktionen haben angekündigt, im September gemeinsam zu den Soldaten in die Türkei reisen zu wollen. In der Angelegenheit hatten in den vergangenen Tagen unter anderem SPD-Chef Sigmar Gabriel und Bundestagspräsident Norbert Lammert mit dem Abzug der Soldaten aus Incirlik gedroht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am vergangenen Wochenende in einem Gespräch mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Rande des Nato-Gipfels in Warschau vergeblich versucht, eine Einigung in der Sache zu erzielen. Besonders pikant: Die Basis Incirlik wurde auch auf Land errichtet, das beim Völkermord 1915 von Armeniern enteignet wurde.

Der Stützpunkt war in den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts von den USA eingerichtet worden, unterliegt aber türkischem Hoheitsrecht. Die Basis liegt in der Nähe der Stadt Adana etwa 100 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es in der Überschrift, die deutschen Soldaten könnten den Stützpunkt verlassen. Diese Formulierung war missverständlich: Tatsächlich ist die Militärbasis nicht von der Türkei abgeriegelt, allerdings haben das deutsche und das US-Militär die Sicherheitsvorkehrungen erhöht.

chs/lov/dpa/AFP/AP